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Showdown bei den Präsidentschaftswahlen im Iran

Toni Scheibe

Am morgigen Freitag sind 48 Millionen Iranerinnen und Iraner aufgerufen einen neuen Präsidenten zu wählen. Ob der Neue der Alte ist, scheint jedoch ungewiss. Entscheidend bei dem Ausgang der Wahlen wird das Stimmverhalten der überwiegend jungen Bevölkerung sein. Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten ist unter 30 Jahre.

Anhänger Ahmadinedschads feiern ihren Präsidenten.

Anhänger Ahmadinedschads feiern ihren Präsidenten.

Dem amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad (52) fällt es sichtlich schwer die junge Wählerschicht für sich zu mobilisieren. Viele der jungen Menschen, besonders in den Städten, werfen ihm vor die Wirtschaft des Landes ruiniert und sein Wahlversprechen von einer gerechteren Verteilung des Ölreichtums nicht umgesetzt zu haben. Die Wirtschaftskrise des Landes ist das zentrale Wahlkampfthema. Noch Anfang der Woche erklärte Ahmadinedschad, dass die Inflation 15% betrage, bevor er schließlich am Dienstag öffentlich zugeben musste, dass der Wert doch bei 25% liege. Seine harschen Äußerungen zu Israel und dem Holocaust haben nicht nur im Ausland für scharfe Kritik gesorgt, auch viele Iraner sind empört über diese Aussagen.

Dennoch ist der Präsident noch lange nicht abgeschrieben, besonders ärmere Gesellschaftsschichten und die Landbevölkerung schätzen sein Image als bescheidener und unkorrupter Politiker. Außerdem kann Ahmadinedschad sich auf Hundertausende von Tugendwächtern und Golfkriegs-Veteranen verlassen, die ihm immer noch zur Seite stehen sollten.

Von der Seite der Konservativen bekommt Ahmadinedschad von Mohsen Rezai (55) Konkurrenz. Rezai war von 1981-1997 Führer der Revolutionsbrigaden und der Bassidji, eine paramilitärischen Miliz die durch die Entsendung meist jugendlicher Himmelfahrtskommandos im Iran-Irak-Krieg bekannt wurde. Er kritisiert besonders den Führungsstil Ahmadinedschads im Bezug auf die Außen- und Wirtschaftspolitik des Landes. Jedoch gilt er trotz der sanfteren Töne als politischer Hardliner, so wird Rezai im Zusammenhang mit dem Anschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Buenos Aires im Juli 1994, bei dem 85 Menschen starben und 300 verletzt wurden, von Interpol per internationalem Haftbefehl gesucht.

Mussawi gelang es mit seiner Wahlkampagne "Green Wave" und zahlreichen Kundgebungen eine große Anhängerschaft zu mobilisieren.

Mussawi gelang es mit seiner Wahlkampagne "Green Wave" und zahlreichen Kundgebungen eine große Anhängerschaft zu mobilisieren.

Als aussichtsreichster Gegenkandidat gilt Mir Hossein Mussawi (67) der unter anderem von Ahmadinedschads Vorgängern, den ehemaligen Präsidenten Chatami und Rafsandschani, unterstützt wird. Mussawi der Mitbegründer der Islamischen Partei und Anhänger von Ayatollah Chomeni ist, wurde nach dem Ausbruch des Iran-Irak-Krieges zum Premierminister ernannt. In dieser Zeit konnte Mussawi den Iran vor einer Hungersnot und den Zusammenbruch der Wirtschaft bewahren. Bis heute wird ihm diese Leistung im Iran hoch anerkannt. Besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise kann der eher blass wirkende Kandidaten mit seiner Wirtschaftskompetenz punkten. Zu seinen Zielen zählen die Abschaffung des Verbotes von privaten Fernsehsendern, die Rücknahme einiger Gesetze die Frauen bisher diskriminierten, sowie der Stopp der Sittenpolizei. Jedoch bleibt Mussawi trotz der Reformvorhaben eng mit dem politischen System im Iran verbunden und er sagt selber über sich, dass er sowohl Reformer als auch Konservativer sei.

Karroubi wirbt mit den Wahlkampfspruch "Change for all" um Wählerstimmen.

Karroubi wirbt mit den Wahlkampfspruch "Change for all" um Wählerstimmen.

Wesentlich deutlicher in seinen Forderungen ist hingegen Mehdi Karroubi (72) der mit dem Slogan „Change“ für sich wirbt. Auch er ist in der iranischen Politiklandschaft kein unbeschriebenes Blatt, war er doch schon von 1989-1996 und von 2000-2004 Parlamentspräsident des Landes. Bei den Präsidentschaftswahlen vor vier Jahren scheiterte Karroubi knapp mit 2 Prozentpunkten im ersten Wahlgang an Ahmadinedschad. Karroubi, der islamische Theologie und Recht in Qom und Teheran studierte, ist der einzige islamische Gelehrte unter den Kandidaten. Er trat jahrelang als Anwalt für Frauenrechte ein und kritisierte immer wieder den Wächterrat scharf. In seinem Wahlprogramm verspricht er die Verstaatlichung der Ölgewinne, den Schutz der Menschenrechte, die Verbesserung der Frauenrechtssituation, die Unterstützung der Presse und des Internets. Außerdem unterstützt Karroubi, der dem Volk der Lur angehört, die Rechte religiöser und ethnischer Minderheiten im Iran.

Einigkeit in der Atomfrage

Trotz der unterschiedlichen Standpunkte sind sich die Kandidaten in der Frage des iranischen Atomprogramms weitgehend einig. Sie alle betonen, dass der Iran das Recht auf die friedliche Nutzung der Atomenergie habe und man sich das nicht von den westlichen Staaten nehmen lasse. Des Weiteren sind sich die Gegenkandidaten auch einig in ihrem Standpunkt zum Holocaust, jeder dieser Kandidaten erklärte explizit, dass die Gräueltaten stattgefunden haben und nicht zu leugnen seien.

Wahlkampf mit harten Bandagen

Der Wahlkampf wurde sehr energisch und auf vielen Ebenen geführt. Erstmals in der Geschichte der iranischen Präsidentschaftswahlen strahlte das staatliche Fernsehen Live-Debatten aus. Insgesamt gab es 6 TV-Duelle in dem sich alle Kandidaten einmal gegenüberstanden. Im spannendsten Duell zwischen Ahmadinedschad und Mussawi warf der amtierende Präsident Mussawi Korruption vor, so habe seine Ehefrau Zahra Rahnaward nicht die notwendigen Qualifikationen für ihren Doktortitel erbracht. Nach diesem Duell mahnte der Revolutionsführer Khamenei zur Mäßigung des Wahlkampfes.

Facebook, Karikaturen und Videos

Die neue Art des Wahlkampfes hat scheinbar auch ein deutlich gewachsenes Interesse unter den jungen Wählern hervorgerufen. Seit Wochen kursieren Karikaturen und Videos des als „Spinner“ und „abergläubisch Exzentriker“ verspotteten Ahmadinedschads im Internet. Die Popularität Mussawis auf Facebook führte dazu, dass Ende Mai die Regierung kurzerhand den Zugang zu der Internetseite blockierte. Nach nur drei Tagen und heftigen Protesten wurde die Sperre wieder aufgehoben.

Ungewisser Wahlausgang

Gleichwohl den versprochenen Wahlgeschenken seitens der Kandidaten gilt der Wahlausgang als ungewiss. Das Zünglein an der Waage dürfte die Wahlentscheidung der jungen städtischen Bevölkerung sein. Bei der Wahl im Jahr 2005 blieben viele der jungen Wähler resigniert von den Kandidaten von der Wahlurne fern. Diesmal könnte das anders sein, besonders Mussawi konnte mit seiner Wahlkampagne viele junge Menschen für sich gewinnen. Doch auch die Wählerschaft Ahmadinedschads ist nicht zu unterschätzen. Sollte morgen keiner der Kandidaten die nötige Mehrheit von 50% erreichen, so wird es am 19. Juli zur Stichwahl kommen.

Foto: Shahram Sharif

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